Intensive Osterwoche in Saint-Auban

Schon im April über der fantastischen Voralpen- und Alpenlandschaft der Haute-Provence ausgiebig zu fliegen, war ein Privileg, das unsere LS8 / 7L zusammen mit Sämi S. und Walter B. voll geniessen konnte. Wir entführten die Maschine - natürlich dank dem grosszügigen Wohlwollen unserer Oberen - am Palmsonntag (13.April) und brachten sie wohlbehalten an Ostern (20. April) wieder zurück.


Matthieu, l'instructeur

Dazwischen lag eine intensive Trainings- und Flugwoche. Jeden Tag erlebten wir die Welt von oben. Wir kurbelten uns in die Höhe, folgten Kämmen und steuerten satte Wolken an. Wir nutzten bekannte und erprobten neue Standardschläuche (Genre: "L'Arambre, c'est une valeur sûre"). Wir feilten an unseren Routenkenntnissen, trafen taktische Entscheide und erkundeten neue Gebiete. Das Fliegen wurde uns eine Woche lang zur zweiten, wenn nicht zur ersten Natur, und das Einrichten im Cockpit stand uns bald näher als das Einsteigen ins Auto. Kein Wunder, haben wir doch am Ende jeder über 23 Stunden in der Luft verbracht.

Wieder zeigte sich die fliegerische Vielseitigkeit der Region. Wir hatten zwar nie Mistral und vorwiegend Ostwindlagen, die sehr ergiebigen Nordwestwinde blieben fast ganz aus. Die Superstrecke des Parcours hielt mit ihren Diensten bis am Samstag zurück, vorher riskierte man eindrückliche Absaufer. Dennoch war jeder Tag fliegbar. Gut war diesmal vor allem der Nordwesten, also Richtung Col de Cabre, Diois, Grenoble, was Könner aber auch nicht daran hinderte, sich nervenzerreissend lange in Plampinet zu mühen um wieder wegzukommen. Grosse Könner, wie unser Betreuer Matthieu auf dem Nimbus 4D, tummelten sich am Freitag sogar im Montblanc-Massiv an der Aiguille du Midi. Wir eher bescheidenen Piloten sind diese Risiken nicht eingegangen.


Briefing in der Kleingruppe.
Matthieu lauscht dem Flugbericht von Martin

Wir sind auch diesmal wieder ausgezeichnet bedient und betreut worden. Das Centre National de Vol à Voile in St-Auban ist das Kurszentrum des französischen Segelflugverbandes für höhere Ausbildung mit vorzüglicher Infrastruktur. Allein der Platz ist über 1,2 km lang, sehr breit und verfügt über ein ganzes Netz von Hartbelagstreifen für Segelflugzeugstarts und gelegentlich auch Landungen. An Kursen wird ungefähr alles geboten: Fluglehrerausbildung, Piloten-Weiterbildung, Senioren-Plauschflugwochen, Damenkurse (stages féminins), Kunstflug, Meteorologie, Fallschirmwartung. Der Ort ist auch Trainingszentrum für die französische Nationalmannschaft. Es gibt Hangars, Werkstätten, Unterrichtsräume, Zimmer und Kantine, Zeltplatz und Schwimmbad.

Wir waren eingeschrieben für einen "stage entraînement 2", einen Trainigskurs mit eigenem Flugzeug. Das sind Kleingruppen - wir waren fünf Leute - unter der Leitung eines hochqualifizierten Instruktors. Dieser fliegt selber einen Hochleistungs-Doppelsitzer, eine "grande plume" (Superorchidee). Die Teilnehmer haben abwechslungsweise Gelegenheit, auf dem vorderen Sitz zu fliegen. Auf den grossen Flügen erweitert man seine Kenntnisse und lernt mit der Zeit auch, mit einer Riesenmaschine von über 26 m Spannweite und unglaublicher Gleitzahl ("la meilleure machine du monde") einigermassen umzugehen. (Von "beherrschen" reden wir lieber nicht, bei nur zwei Flügen pro Jahr!) Wer im Einsitzer fliegt, steht in Funkkontakt mit dem Admiralsschiff.


Der kostbare Vogel wird sorgfältig geschützt

Jeden Morgen trifft sich die Gruppe nach der Meteopräsentation im Auditorium in kleinerem Rahmen mit ihrem "instructeur" zum Gruppenbriefing. Da werden die Flüge vom Vortag besprochen, dann Möglichkeiten, Taktik und eventuell Aufgaben des bevorstehenden Nachmittages.
Unser Betreuer Matthieu Kril stellte sich als "volontaire" vor. Er gehört nicht zum fest angestellten Kader, er macht freiwillig Aushilfe. Dies zum Nulltarif, was ihn aber gar nicht stört, kommt er doch so ausgiebig zum Fliegen. Beruflich ist er Pilot eines Luftbetankungs-Flugzeuges KC 135 (modifizierte Boeing 707) und betankt Mirage 2000, Mirage F1 und Rafale. Seine Basis ist Istres bei Marseille. Der junge Berufsmilitär (etwas anderes gibt es im Wehrbereich in Frankreich nicht mehr) fliegt in der Freizeit in Vinon und ist neu in der Nationalmannschaft, deshalb mit St-Auban bestens vertraut. (Er wird an der Weltmeisterschaft in Nitra, Slowakei, in der PW-5 Weltklasse teilnehmen.)


Auf dem Hartbelagstreifen ist die Warteschlange nicht zu lange

Der Flugbetrieb gestaltete sich für uns wie im Schlaraffenland. Gegen 5 Euro pro Nacht konnten wir unsere 7L am Morgen einfach aus dem Hangar ziehen und so Zeit, Kräfte und Flugzeug schonen. Zwar war der Platz voll ausgelastet mit allerhand Kursen, von "stage féminin" bis zum Kunstflugtraining der équipe de France, aber fast alles spielte sich auf der Ostseite ab, und wir mussten die Startbahn der Westseite nur mit etwa 10 andern Piloten teilen. So wurde die Warteschlange nie lang. Zudem waren genügend Schleppflugzeuge im Einsatz. Matthieu kümmerte sich um alles. Schon am Montagmorgen beim ersten Montieren kam er vorbeischauen. Seine Nimbus 4D, für uns die bestbekannte EN, stellte er jeweils schon früh zuvorderst in die Reihe, um als Erster starten zu können. Damit nicht genug: Ab dem 2. Tag gab er Befehl, seine Gruppenleute sofort hinter ihm starten zu lassen. Zu diesem Zweck parkierten wir unsere Segler gleich neben dem Nimbus im Gras und installierten uns fertig. Nach dem Start des Chefs packten kräftige Hände zu, schoben uns einen nach dem andern vor die übrigen Wartenden auf die Asphaltpiste. Seil ein, und los gings! Das Hochgefühl wurde noch grösser, als an Freitag Eric Napoléon, persönlich mit seiner majestätischen Statur am Start anwesend, uns "petits Suisses" das Capot zudrückte, den Flügel hielt und abgab.


Sämi und Matthieu richten sich in unserer "grande plume" ein

Matthieu war besorgt, dass jeder von uns jeden Tag fliegen konnte. Zweimal hatte er für jeden von uns Platz im Nimbus, je einmal organisierte er einen Einsitzer des Zentrums. Man wusste, dass wir andere Jahre mit einer LS6 erschienen. (Wir wurden prompt gefragt, ob wir zwei eine LS8 gekauft hätten! Man nimmt ohne weiteres an, die Schweizer könnten sich eigene Flugzeuge leisten.) So erreichte er, dass Sämi am Donnerstag mit einer wunderbaren LS6 18m in die Lüfte gehen konnte. Am Freitag gab es dann für mich die 17,5m-Version desselben Typs. Mit diesen Klappenflugzeugen waren wir im siebten Himmel. Kreisen, steigen, vorfliegen, wie könnte es schöner sein?


Cockpit-Instruktion am Nimbus 4D
(Der Instruktor trägt ein persönliches ELT)

Es war vergnüglich, mit Matthieu zu fliegen. Wir unterhielten und amüsierten uns glänzend. "Ne t'inquiète pas, il faut être optimiste", war seine Devise, wenn ich etwa meinte, wir seien knapp für das Traversieren einer Krete, oder statt Regen oder Schneegraupel könnten ja auch mal Hagelkörner aufs Capot prasseln. Meine interessanteste Erfahrung war diesmal, den Weg entlang dem Vercors nach Grenoble kennen zu lernen. Das gelang nur, weil Matthieu genau wusste, an welcher Ecke der Glandasse ein ganz enger Schlauch widerwillig die nötige Höhe hergab. Er schätzte auch richtig ab, wie weit man sich am Samstag bei aus Süden aufziehender Waschküche noch über verschneiten Gipfeln der Barre des Ecrins nähern konnte. Und das lange Heimgleiten aus 3000 m Höhe unter schwarzen Wolken bei sich verschlechternder Sicht und völlig verändertem Landschaftsbild war ein Naturerlebnis ganz besonderer Art.

Zum Kursbetrieb wäre noch nachzutragen, dass man auch beurteilt wird. "Pilotage souple. Sécurité assurée. Difficile adaptation au Nimbus 4." stand auf dem Blatt, das ich am Tag nach dem ersten Doppelsitzerflug signieren musste. Es werden also persönliche Dossiers geführt im CNVV, man will die Leute kennen. Aber offenbar erfolgen die Einschätzungen fachgerecht und verbinden sich mit wohltuender Grosszügigkeit und Vertrauen: Keiner von uns beiden hat je einen Umschulungsflug machen müssen, weder seinerzeit auf LS8 noch jetzt auf die grossen LS6-Versionen. Nach dem Nimbusflug vom Samstag fragte ich dann zweifelnd nach der nunmehrigen Beurteilung. "Bien!!!" tönte es nun ohne Einschränkung, was mich eher mit Erstaunen erfüllte.

Wir logierten im Zentrum, benutzten aber die Kantine nur für das einfache Frühstück. Abends gönnten wir uns Ausgang und schlemmten ein wenig à la française in einem der vielen guten, aber nicht durchwegs teuren Restaurants der Gegend. Was kosten denn so "Segelfliegerferien"?
Die meisten Tarife sind ersichtlich auf www.cnvv.net Man braucht etwa 7-9 Schleppminuten zu Fr. 5.67 (1/100 Std. kostet 2,27 Euro). Günstig sind die Miettarife: Doppelsitzer   37.74 Euro/Std, LS6, LS8 etc. 27.54 Euro/Std, ab 6. Stunde gratis. Billig sind auch die Zimmer:   20.- Euro (Einerzimmer/Douche) bis 40.80 Euro (Doppelzimmer mit Douche/WC) mit Frühstück. Unsere Rechnung ist deshalb speziell, weil wir die verlangte "licence" (Beitrag für den französischen Segelflugverband) für ein ganzes Jahr gelöst haben - wir kommen im Sommer ja wieder - und dazu die Variante mit Haftpflichtversicherung, damit wir auch auf Einsitzern des Zentrums fliegen konnten. Mit nur 10 Tage-Licence ohne Versi-cherung käme es 85.- Euro billiger (  30.- Euro statt 115.- Euro)

Meine Rechnung sieht so aus:


Späte Landung kurz vor Sonnenuntergang.
Aber welch ein Erlebnis, dieser "grand vol"!

Fixkosten: Licence / RC 115.- Euro
Jahresbeitrag CNVV 63.- Euro
Tarif für Fluglehrer pro Person in diesem
Kurstyp (ENT 2) incl. Stationierung Flz.
167.28 Euro
Variabel: 7 Nächte incl. Frühstück 140.- Euro
Hangarierung , 5 Nächte, ½ Anteil 12.50 Euro
Flug Montag (nur Schlepp) 24.97 Euro
Flug Dienstag (Doppelsitzer, 5h15) 213.67 Euro
Flug Mittwoch (Schlepp) 34.05 Euro
Flug Donnerstag (Schlepp) 34.05 Euro
Flug Freitag (LS 6-17,5-Z27) 116.09 Euro
Flug Samstag (Doppelsitzer, 4h13) 186.38 Euro
Total 1104.72 Euro

Im Sommerlager der SGL wird es günstiger aussehen. Wir werden mehrheitlich zelten und fliegen als Gruppe mit eigenem, vom CNVV anerkannten Kader.

Uns bleibt zu danken, der Gruppe und dem Vorstand, für die wohlwollende Förderung und das Vertrauen, die uns ermöglichten mit einem der besten Flugzeuge nach Süden zu ziehen, Fliegen intensiv zu erleben, aber auch immer wieder Können und Trainingsstand zu verbessern.

Walter Bohnenblust, Samuel Spirgi, 29.4.2003